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01. Juni 2021

Personalsuche im Profifussball, Wolfram Tröger im Gespräch mit der Personalwirtschaft

„WIR PERSONALBERATER SIND ES GEWOHNT, EINE GERÄUSCHARME SUCHE DURCHZUFÜHREN“


Fußball und Wirtschaft sind zwei paar Schuhe. Doch ein paar Parallelen gibt es doch zwischen der Suche nach einer Führungskraft und der nach dem richtigen Vereins- oder Bundestrainer, sagt Personalberater Wolfram Tröger. Im Interview erklärt er, wie er bei einem solchen Auftrag vorgehen würde.

Personalwirtschaft: Herr Tröger, würde es Sie als Personalberater reizen, mal von einem Fußballclub oder -verband den Auftrag zu bekommen, einen neuen Trainer zu finden?

Wolfram Tröger: Auf jeden Fall. Schon, weil ich durchaus fußballinteressiert bin. Aber auch aus professioneller Sicht. Wir Personalberater sind es ja gewohnt, eine professionelle und geräuscharme Suche nach Führungskräften durchzuführen. Wobei es natürlich schon Unterschiede gibt.

Welches sind die wichtigsten?

Fußballclubs, die ja oft Umsätze von mehreren hundert Millionen haben, sind zwar auch Geschäftsbetriebe wie andere Unternehmen. Aber wenn etwa der Chef von Siemens seinen Abschied ankündigt, dann sind die Leute höchstens überrascht – die emotionale Bindung fehlt. Und zwar innerhalb und außerhalb des Teams.

Kurz vor Ende der vergangenen Saison gab es in der Fußballbundesliga gleich mehrere Fälle, in denen Trainer ihren Abschied angekündigt haben – und ihre Mannschaft in der Folge in eine mehr oder minder große Krise schlitterte. Hat das etwas mit dieser emotionalen Bindung zu tun?

Ich glaube, es ist nicht zu leugnen, dass in so einer Situation ein Bruch in der Einstellung der Mannschaft passiert. Das ist aber ebenfalls ein Unterschied zur Industrie. Denn dort gibt es den Fall nicht, dass ein komplettes Team mit ihrem Trainer beziehungsweise der Führungskraft so eng verbunden ist. Vielleicht gibt es mal einen Geschäftsbereichsleiter oder CEO, der eng mit zwei oder drei Leuten zusammenarbeitet, aber nicht mit 16 oder 20.

Gäbe es denn im Fußball trotzdem eine Möglichkeit, einen solchen Einbruch zu verhindern?

Da müsste man vermutlich eher ansetzen. Zum Beispiel durch eine Wettbewerbsklausel, die es in der Industrie ja oft gibt – die im Fußball aber ziemlich unrealistisch ist. Eine zweite Möglichkeit wäre eine strikte Verschwiegenheitsvereinbarung, die allen Seiten verbietet, vorzeitig über den Wechsel zu sprechen.

Dass solche Vereinbarungen manchmal das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen, hat man aber ja bei Fredi Bobic (bisheriger Vorstand Sport von Eintracht Frankfurt) gesehen. Da wurde der Abschied trotzdem vorzeitig bekannt.

Im Fußball ist es in der Tat nicht ganz einfach. Es gibt so viele Stellen, wo Infos rausgehen, schließlich leben auch die Spieler und Mitarbeiter nicht in einer Blase und gehen etwa in ein Restaurant. Und Sportjournalisten sind oft ziemlich gut darin, entsprechende Neuigkeiten mitzubekommen.

Sie sagten, dass sie als Personalberater vor allem für eine geräuscharme Suche sorgen könnten. Wie meinen Sie das?

Die Verfolgung durch die Presse würde allein schon dadurch erschwert, dass meist nicht bekannt ist, an welchen Stellen ein Personalberater für wen aktiv ist. Zudem könnten die Clubs bei Nachfragen immer wieder auf den Personalberater verweisen, bis ein neuer Trainer gefunden und ein Vertrag unterzeichnet ist. Und natürlich haben wir professionelle Prozesse. Wobei ich glaube, dass die Vereine hier gar nicht so schlecht sind. Sie stehen nur sehr stark unter Beobachtung und unter Druck.

Wie würden Sie denn vorgehen, wenn Sie das Mandat zur Trainersuche bekommen würden?

Genauso, wie ich das in meinen anderen Suchprojekten auch mache. Auch in der Industrie wurde früher nach der reinen Fachkompetenz rekrutiert, heute eher nach der Passung. Insbesondere, wenn es um die zweite Ebene geht – zu der ja auch ein Fußballtrainer zu zählen wäre. Schließlich hat er ja den Vorstand und die sportliche Leitung als Vorgesetzte.

Aber wie würden Sie herausfinden, welcher Trainer passt?

Vor allem würde ich sehr intensive Gespräche mit den verschiedenen Stakeholdern führen. Da gibt es ja doch auch in Fußballclubs einige: Vorstand, Aufsichtsrat, sportliche Leitung. Vermutlich ist es auch schlau, den Mannschaftsrat oder zumindest den Kapitän zu fragen: „Was seid ihr für ein Team?“ Das mache ich übrigens auch bei Suchprojekten für die Industrie. Klar sind die Teams selbst nicht meine Hauptansprechpartner. Aber sie haben oft eine andere Sicht und interessanten Input auch für die, die mich eigentlich mandatieren.

Und dann wissen Sie, welcher Trainer der richtige ist?

Es ergibt sich immerhin ein Bild, das allerdings manchmal auch ziemlich unrealistisch ist. Irgendwann wird nämlich immer die eierlegende Wollmilchsau gesucht – und dann muss man eindampfen. Was sind die KO-Kriterien, was ist nice-to-have? Dann wird eine Longlist erstellt, aus der dann mit der Zeit eine Shortlist wird. Bei einer Trainersuche könnten dabei Kriterien etwa die Deutschkenntnisse sein, aber auch die Erfahrung im internationalen Geschäft. Oder das Veto der Auftraggeber – mit denen man ohnehin in ständigem Kontakt sein sollte.

Bis hierhin haben Sie mit noch keinem Trainer gesprochen.

Das wäre der nächste Schritt: die Vorgespräche. Ich würde jetzt die übriggebliebenen Kandidaten kontaktieren und um ein Treffen bitten – natürlich dort, wo uns keiner sieht. Wenn wir uns mit Kandidaten treffen, gehen wir natürlich nicht in das Airport Center, sondern in ein unauffälliges Businesshotel. Und selbstverständlich kommen wir auch nicht zur selben Zeit wie der Kandidat und wir sorgen dafür, dass sich unterschiedliche Kandidaten auch nicht begegnen. Wenn dann noch zwei, drei oder vier Namen übrig sind, kommen noch die Gespräche, bei denen auch der Auftraggeber dabei ist – und irgendwann die Vertragsunterzeichnung.

Als es um die Nachfolge von Jogi Löw als Bundestrainer ging, war früh nur noch von einem Kandidat die Rede: Hansi Flick, der es letztlich ja auch geworden ist. Bestätigt wurde es aber sehr spät.

Ich finde, die drei Seiten – der DFB, Hansi Flick und sein Ex-Club Bayern München – haben es vergleichsweise gut gemacht. Flick hat erst einmal die Saison als Bayern-Trainer zu Ende gebracht, ganz so, wie ja auch in den Kündigungsbekanntmachungen von Managern in der Industrie oft der neue Job nicht genannt wird – selbst, wenn der Vertrag schon unterschrieben ist. Auch, um nicht zur „Lame Duck“ zu werden.

Die Gefahr besteht momentan ja im Fußball vor allem bei Jogi Löw.

Ja, aber ich glaube, dass die Spieler das nicht so sehen. Die sind heiß auf die EM mit Jogi Löw. Und trotz der Auftaktniederlage gegen Frankreich – die ja auch nicht gerade eine Blamage war – ist es ja auch relativ ruhig um die Personalie. Alle bemühen sich darum, dass die EM noch gut wird. Aber klar: Wenn die Nationalelf jetzt auch gegen Portugal verliert, dann war es das mit der Ruhe.

Photo by Fachry Zella Devandra,Unsplash